(von Rudolf Schmuderer)
Nach der Eröffnungsfeier im Schulhof mit Begrüßung durch den 2. Bürgermeister, Ansprachen, Tanzvorführungen der Kindergarten- und Schulkinder sowie einer Filmvorführung über vergangene Ereignisse der Partnerschaft gab es ein üppiges Mittagessen im Schatten der alten Bäume.
Während danach die mitgereisten Dinkelscherbener Stockschützen und Tischtennisspieler ihre Kräfte und Fähigkeiten in sportlichem Wettkampf mit den Sportlern aus Kunbaja zeigten, begaben sich die anderen Dinkelscherbener auf einen sehr interessanten und aufschlussreichen Rundgang durch Kunbaja.
Zum Auftakt wurde das Rathaus mit Bürgermeisterbüro, Notarbüro, Büro der Vertretung der deutschen Minderheit und der repräsentative Sitzungsraum, der auch als Trauungsraum dient, besichtigt. Hier werden demnächst mit Förderung der ungarischen Regierung Renovierungsarbeiten durchgeführt.
Danach folgte die Besichtigung eines mit Fördermitteln der EU sehr gut sanierten Gemeinde- gebäudes, welches komplett in eine kleine Konservenfabrik umgebaut wurde und als eigenständiger Wirtschaftsbetrieb der Gemeinde betrieben wird. Hier werden ausschließlich die in der Region Kunbaja angebauten Gemüseprodukte (Paprika aller Art, Gurken, Kraut, Spargel, Bohnen usw.) gekocht, konserviert, in Gläser verschiedener Größe abgefüllt und versandfertig gemacht. Dadurch wurden sehr begehrte Arbeitsplätze für Einheimische geschaffen. Alle Besucher erhielten ein kleines Sortiment der Produkte als Gastgeschenk.
Das nun zu besichtigende alte Pfarrhaus, welches nach dem Tod des letzten Pfarrers von Kunbaja vor einigen Jahren nicht mehr als Pfarrerwohnung dient, wird nun als Dokumentationszentrum für die Geschichte Kunbajas genutzt. Viele Urkunden, Dokumente, Fotos und Ausstellungsstücke einschl. kunstvoller Modelle der historischen Gebäude geben Aufschluss hierüber.
Die erste Besiedelung , die urkundlich bis 1385 zurückreichte, endete mit der vollständigen Zerstörung des Ortes durch die Türken und Kurutzen Ende des 17. Jahrhunderts. Erst seit 1817 erfolgte die Neubesiedelung, weshalb in diesem Jahr das 200-jährige Gründungsfest begangen wird. Die Betreuerin des Pfarrhauses erläuterte die Historie sehr ausführlich und detailliert und mit viel Fachwissen und Begeisterung.
Danach wurde die 1873 errichtete Pfarrkirche St. Matthäus besichtigt, die nach der letzten Turmsanierung vor 17 Jahren mit erheblicher finanzieller Unterstützung der Patengemeinde Dinkelscherben in sehr gutem baulichen Zustand ist. Ein Verantwortlicher der Kirchenverwaltung erläuterte mit Stolz die Besonderheiten dieses Sakralbaus. Zwischen Hauptschiff und Apsis steht auf einem Rundbogen unter der Kirchendecke in riesigen Lettern unübersehbar in deutscher Schrift: „WER MIR NACHFOLGEN WILL; NEHME SEIN KREUZ AUF SICH!“
Zu den nächsten beiden Stationen fuhren wir in einem Kleinbus. Zuerst ging es zum etwas außerhalb von Kunbaja gelegenen Friedhof, dessen sehr gepflegte Gräber überwiegend deutsche Namen tragen. Die Angaben der Verstorbenen reichen von der Gegenwart bis weit zurück ins 19. Jahrhundert.
Dann ging es weiter bis zur nur 2 km entfernten ungarischen Staatsgrenze zu Serbien. Diese Grenze ist seit 2016 durch zwei 4 m hohe Stacheldrahtzäune total abgesperrt, die teilweise unter Strom stehen. Die Bewachung erfolgt rund um die Uhr durch Polizei und Armee auf dem davorliegenden gerodeten Gelände und auf Wachtürmen. Die Maßnahme erfolgte trotz Missbilligung der EU durch die ungarische Regierung unter Ministerpräsident Orban und führte dazu, dass der Flüchtlingsstrom über die „Balkanroute“ beendet wurde.
Der Anblick dieser Grenzbefestigungen erzeugte bei uns allen in Erinnerung an den Todes-streifen der deutsch-deutschen Grenze und des „Eisernen Vorhangs“ vor der Wiederver- einigung ein mulmiges Gefühl.
Die Nachdenklichkeit verkehrte sich bei der letzten Besichtigungsstation rasch in das Gegenteil. Das Gebäude des Kunbajer Rentnervereins besteht aus einer Gaststube und mehreren Räumen eines Heimatmuseums sowie im Garten einer Weinlaube und einem uralten gemauerten Steinbackofen, in welchem heute noch gelegentlich Brot gebacken wird.
Die Herzlichkeit bei der Begrüßung und Bewirtung mit Palinka, Wein und nichtalkoholischen Getränken, frischen Weintrauben und selbstgebackenen Köstlichkeiten („Pogatschen“ u.a.) war umwerfend und unübertrefflich. Voller Stolz zeigten uns die Rentnerinnen und Rentner, die das Haus ehrenamtlich betreiben und unterhalten, ihre Schätze: Liebevoll gestaltete Zimmer mit historisch getreuen alten Möbeln und Gebrauchsgegenständen, Kinderspielzeug, Gruppenfotos der Schulabschlussklassen seit Mitte des 20. Jahrhunderts, eine Originalküche aus dem 19. Jahrhundert mit gemauertem Herd, offenem Rauchabzug und riesigen Kesseln auf den Feuerstellen und vieles mehr.
Die Freude über unser Interesse führte bei den Gastgebern zu überschwänglicher Begeisterung und einem herzlichen Abschied, bei welchem jeder zur Erinnerung ein Säckchen Paprikapulver erhielt.
Bei allen Besichtigungen mit Ausnahme von Kirche, Friedhof und Grenzzaun wurden wir aufmerksam und großzügig mit Getränken und Gebäck bewirtet. Es grenzt an ein Wunder, dass wir beim anschließenden Abendessen im Garten des Kulturhauses noch in der Lage waren, ein hervorragendes Gulasch mit Beilagen zu konsumieren.
Maßgeblichen Anteil an diesem gelungenen Nachmittag hatten neben den jeweiligen Gast- gebern unsere Dolmetscher, die gekonnt und humorvoll alle Vorträge und Erläuterungen übersetzten, nämlich die Vorsitzende der Kunbajer deutschen Minderheitsvertretung und des Partnerkomitees Kocsi Hajnalka und unsere stets aufmerksame, freundliche und hilfsbereite liebe Monika Karl.
Ihnen allen gilt unsere Anerkennung und ein herzliches „NAGYON KÖSZÖNÖM!“ Wir werden diese schönen Erlebnisse immer in bester Erinnerung bewahren.